Die rmische Kanone - Neapels Prsident De Laurentiis im 11FREUNDE

Der Mann war über­haupt nicht mehr ein­zu­fangen. Ihr seid alle scheiße“, blökte Nea­pels Prä­si­dent Aurelio de Lau­ren­tiis seinen Kol­legen ent­gegen. Ich schäme mich, Ita­liener zu sein!“ Eben war der Spiel­plan der Serie A ver­öf­fent­licht worden und die Ter­mi­nie­rung der Matches gegen den AC und Inter Mai­land waren absolut nicht im Sinne De Lau­ren­tiis, was den Macher des SSC Neapel dazu ver­an­lasste, den Ver­band, die Kol­legen und schließ­lich auch die anwe­senden Jour­na­listen zu beschimpfen, aus dem Gebäude zu stürmen und wut­ent­brannt mit seinem Rückzug aus dem Fuß­ball­ge­schäft zu drohen Dann mache ich eben wieder Filme.“ Auf der Straße hielt er einen zufällig vor­bei­fah­renden Moped-Fahrer an und bedeu­tete ihm: Ich bin De Lau­ren­tiis. Bring mich hier raus!“, wor­aufhin er sich hinter den ver­dutzten Fahrer schwang und mit diesem davon rauschte.

Jean Löring würde das gefallen

Ein Aus­setzer mit irr­wit­zigem Abgang, der aber in der Tat weniger ein ein­ma­liger Fehl­tritt als viel­mehr ein Sinn­bild für De Lau­ren­tiis auf­brau­sendes Wesen ist, mit dem er selbst im Reigen der exzen­tri­schen, mil­lio­nen­schweren Ver­eins­prä­si­denten Ita­liens noch ab und an schil­lernd her­aus­ragt. Legendär ist seine Aus­ein­an­der­set­zung mit Ex-Trainer Edo­ardo Reja, dem er zu ver­stehen gab, dass er ihn nur des­halb nicht ver­prü­gele, weil Reja schon so ein alter Mann sei. Jean Löring wäre begeis­tert gewesen. Als eng­li­sche Klubs im Vor­jahr an Nea­pels Top­stürmer Edinson Cavani bag­gerten, gab De Lau­ren­tiis der Öffent­lich­keit kur­zer­hand Nach­hilfe in Lan­des­kunde, selbst­ver­ständ­lich auf die ihm eigene Art: Die Eng­länder leben schlecht, sie essen schlecht und ihre Frauen waschen sich nicht!“ Nicht nur in Eng­land war man fas­sungslos. Als eben­jener Cavani ein Jahr später dann nach Paris wech­selte, ließ sein Prä­si­dent einen Abschieds­brief ver­öf­fent­li­chen, der so voller Pathos war, dass er genauso gut von Eros Rama­zotti hätte stammen können. Man stelle sich einen öffent­li­chen Brief von Hans-Joa­chim Watzke an Mario Götze vor. Immerhin: Auf schä­bige Kom­men­tare über die Fran­zosen ver­zich­tete De Lau­ren­tiis, woran sicher­lich auch die statt­liche Ablöse von etwa 64 Mil­lionen Euro ihren Anteil gehabt haben dürfte.

Der Mann ist kein Ver­eins­prä­si­dent von der Stange, soviel ist klar. Ihn aus­schließ­lich als selbst­ge­rechten Son­nen­könig hin­zu­stellen, würde ihm aller­dings Unrecht tun. Denn bei all seinen kuriosen Aus­set­zern, herz­haften Schimpf­ti­raden oder voll­mun­digen Gewalt­an­dro­hungen ist er doch auch ein erfolg­rei­cher, wenn auch eigen­wil­liger Ver­eins­prä­si­dent. Ohne ihn, das lässt sich behaupten, wäre der SSC Neapel sicher­lich nicht da, wo er heute ist: In der Cham­pions League.

Pro­du­zent plumper Streifen

Die Erfolgs­story, die De Lau­ren­tiis mit dem SSC Neapel schreibt, währt nun bereits seit 2004. Dabei ist der Fuß­ball gar nicht sein natür­li­ches Habitat, De Lau­ren­tiis Welt ist ursprüng­lich der Film. Nicht nur ist er der Neffe des legen­dären Dino de Lau­ren­tiis, seines Zei­chens Pro­du­zent von Hol­ly­wood-Klas­si­kern wie Ser­pico“ oder Blue Velvet“; viel­mehr hat sich Nea­pels Prä­si­dent, lange bevor er das war, auch selber einen Namen als Film­pro­du­zent gemacht. Vom anspruchs­vollen Gen­re­kino seines Onkels ist er dabei so weit ent­fernt wie das Stadio San Paolo vom Borsig­platz. De Lau­ren­tiis Welt ist, wenig über­ra­schend, die seichte, zotige Unter­hal­tung. Außer­halb Ita­liens dürfte sein bekann­tester Film Sky Cap­tain and the World of Tomorrow“ sein, ein mit Pop­kul­tur­re­fe­renzen über­la­dener Sci­ence-Fic­tion-Ulk mit Jude Law und Gwy­neth Paltrow. Mit Leslie Nielsen drehte er einst Die Römi­sche Kanone“, ein plumper Streifen am Rock­zipfel von Niel­sens vor­an­ge­gan­genen Hol­ly­wood-Kanonen, der im Lexikon des Inter­na­tio­nalen Films unter anderem mit den Attri­buten geschmacklos“, übel“, ärger­lich“, ein­fallslos“ sowie frauen- und aus­län­der­feind­lich“ bedacht wird. Di Lau­ren­tiis wird es egal gewesen sein, denn die Ein­nahmen stimmten. Großen Erfolg hat er zudem mit kla­mau­kigen Weih­nachts­filmen, die in Ita­lien mehr Geld ein­spielten als die Harry-Potter-Block­buster. Weil er ein Näs­chen für gute Geschäfte hat und so geschickt mit Geld umgeht, nennt man ihn in der ita­lie­ni­schen Film­branche den Schweizer“.

Ein Cha­rak­terzug, der im mil­lio­nen­schweren Fuß­ball­ge­schäft sicher­lich nicht von Nach­teil ist. De Lau­ren­tiis ver­fügt über Geld, ver­fügt aber ebenso über die Gabe, es sinn­voll zu inves­tieren. Auch wenn er selber bei Amts­an­tritt sagte, er habe keine Ahnung von Fuß­ball und das Sport­liche tat­säch­lich seinem Sport­di­rektor Ric­cardo Bigon über­lässt (und zuvor dessen Vor­gänger Pier­paolo Marino), ist das ein Stück weit typi­sche De Lau­ren­tiis-Koket­terie. Die schwin­del­erre­genden 64 Mil­lionen Euro, die Neapel vor der Saison für Edinson Cavani über­wiesen bekam, inves­tierte der Klub u.a. in Gon­zalo Higuain, Raúl Albiol, José Cal­léjon und Dries Mer­tens. Aus einem Top­spieler mach vier, eine ein­fache Rech­nung, die den Verein ein wei­teres Stück­chen nach vorne gebracht haben dürfte. In der Tat ist Neapel seit fünf Jahren in den schwarzen Zahlen, was unter ita­lie­ni­schen Fuß­ball­klubs nicht eben die Regel ist. Auch Jürgen Klopp, den De Lau­ren­tiis vor der Saison erfolglos als Nach­folger von Walter Maz­zarri ver­pflichten wollte (und schließ­lich Rafa Benitez holte), zog den Hut vor der Trans­fer­po­litik des heu­tigen Geg­ners: Sie haben über­ra­gende Qua­lität“.

Noch vor Jahren war Neapel eigent­lich weg vom Fenster

Und tat­säch­lich ist der zweite Platz des Vor­jahres und die damit ver­bun­dene Teil­nahme an der Cham­pions League, die zweite nach 2011/12, der vor­läu­fige Höhe­punkt einer bemer­kens­werten Ent­wick­lung, die der SSC Neapel genommen hat. Denn es ist noch gar nicht allzu lange her, dass beim tra­di­ti­ons­rei­chen SSC die Lichter aus­zu­gehen drohten. Mit 70 Mil­lionen Euro ver­schuldet, musste der Klub 2004 Kon­kurs anmelden und star­tete als Napoli Soccer in der Dritten Liga neu. Nicht ohne Tur­bu­lenzen. Der eigent­liche Neu­start hätte in der Vierten Liga erfolgen müssen, Neapel aber, der pres­ti­ge­träch­tige Klub, der der Serie A einst Mara­dona schenkte, wurde kur­zer­hand in die Dritte Liga hoch­be­or­dert – ohne Spieler und nur wenige Tage, bevor dort der Spiel­be­trieb begann. Es folgte die nächste Extra­wurst für den Tra­di­ti­ons­verein: Die ersten beiden Spiel­tage setzte Napoli Soccer aus, um sich eine Mann­schaft zusam­men­zu­bas­teln – außer­halb der Trans­fer­pe­riode und unter lautem Murren der Kon­kur­renz. Zum ersten Mal mit an Bord in diesen Tagen: Aurelio de Lau­ren­tiis, der den Klub zunächst finan­ziell hand­lungs­fähig hielt, und wenig später einen Fünf-Jahres-Plan vor­legte, mit dem er Napoli bis zum Jahre 2009 wieder zu einem ita­lie­ni­schen Top-Klub zu formen gedachte.

Und was soll man sagen, dieser Sprü­che­klopfer, Schaum­schläger und Film­pro­du­zent hat Wort gehalten. Nach einer fast unun­ter­bro­chen posi­tiven Ent­wick­lung ist der Klub wieder da, wo er dem Selbst­ver­ständnis seiner lei­den­schaft­li­chen Anhänger nach hin­ge­hört: In der Spit­zen­gruppe der Liga. 2006 kaufte sich der Verein den alten Namen zurück, seit 2007 ist Neapel wieder in der Serie A, zuletzt wurde man Zweiter, zuvor Fünfter und Dritter. Mit der Coppa Italia gewann der Klub 2012 zudem den ersten Titel seit der Super­coppa 1990. Ein Phönix aus der Asche artiger Auf­schwung, der ohne De Lau­ren­tiis nicht mög­lich gewesen wäre. Da mag der kau­zige Prä­si­dent noch so regel­mäßig durch irr­wit­zige Reform-Vor­schläge wie z.B. der Ein­füh­rung einer Euro­päi­schen Super­liga auf­fallen, er kann auch Ezquiel Lavezzis Berater damit drohen, ihm die Eier abzu­schneiden“ oder Lionel Messi als Kretin“ und dessen Natio­nal­trainer-Team als vier Idioten“. beschimpfen. Sei’s drum. Denn wahr­schein­lich ver­hält es sich mit De Lau­ren­tiis Bemü­hungen als Ver­eins­boss wie mit seinen Blödel-Komö­dien: Sie sind kurios, eigen­willig und über­treten nicht selten die Grenzen des guten Geschmacks. Aber am Ende steht der Erfolg. Viel­leicht einzig mit dem Unter­schied, dass man das Spiel des SSC Neapel auch noch gerne ansieht.

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