Seine letzte Rolle 11FREUNDE

Kevin-Prince Boateng saß da, wo er im Laufe der Saison so oft gesessen hatte: auf der Ersatz­bank im Ber­liner Olym­pia­sta­dion, ziem­lich weit am Rand. Er hatte sich zurück­ge­lehnt, die Hände hinter der Schulter ver­schränkt und schaute mit leerem Blick in den Himmel. Irgend­wann erhob er sich und ging aufs Feld zurück. Die rest­li­chen Spieler folgten ihm.

Boateng war gerade mit Hertha BSC aus der Fuß­ball-Bun­des­liga abge­stiegen. Seine Kol­legen und er hatten ein paar Minuten gebraucht, um diesen Tief­schlag zu ver­ar­beiten. Erst dann waren sie in der Lage, sich noch einmal den Fans in der Kurve zu stellen – weil Boateng vor­an­ging und ihnen die Rich­tung wies.

Bei Hertha fing alles an, bei Hertha geht es zu Ende

Zum ver­mut­lich letzten Mal über­nahm er genau die Rolle, die ihm bei Hertha von vorn­herein zuge­wiesen war: die des Leit­wolfs. Er ist unser Füh­rungs­spieler, geht voran und zieht alle mit“, hatte Fredi Bobic, sei­ner­zeit noch Her­thas Geschäfts­führer Sport, vor der Saison gesagt, als er ver­kün­dete, dass Boatengs aus­lau­fender Ver­trag noch einmal ver­län­gert wird.

Bobic war im Sommer 2021 die trei­bende Kraft hinter der Ent­schei­dung, den gebür­tigen Ber­liner Boateng in fort­ge­schrit­tenem Alter noch einmal zu Hertha zurück­zu­holen. Der Verein braucht ihn als Per­sön­lich­keit“, erklärte er.

Bei Hertha hat alles ange­fangen, bei Hertha geht es nun wohl auch zu Ende. Boateng hat schon vor der Saison gesagt, dass in diesem Sommer end­gültig Schluss sei. Ob es für ihn bei seinem Her­zens­verein in einer anderen Rolle wei­ter­gehen wird, ist noch offen.

Fast 18 Jahre liegt Boatengs Pro­fi­debüt für die Ber­liner inzwi­schen zurück. Seine Mit­spieler bei Hertha hießen damals unter anderem Dick van Burik, Nico Kovac und Mar­cel­inho. Am Ende der Spiel­zeit belegte die Mann­schaft Platz sechs.

Er ist ein toller Junge, ein guter Her­thaner“

Pal Dardai

In seiner mut­maß­lich letzten Saison als Pro­fi­fuß­baller steigt Boateng nun mit Hertha als Tabel­len­letzter in die Zweite Liga ab. Er ist ein toller Junge, ein guter Her­thaner“, sagte Pal Dardai. Im August 2005, als Boateng erst­mals in der Bun­des­liga ein­ge­wech­selt wurde, saß er neben ihm auf der Ersatz­bank. Jetzt, beim Abstieg, war er sein Trainer. Das ist sehr schwer für ihn“, sagte Dardai.

Wie schwer der Abstieg für Boateng war und ist, das war am Samstag, nach dem 1:1 gegen den VfL Bochum, nicht zu über­sehen. Als der 36-Jäh­rige zum Inter­view beim Fern­seh­sender Sky vor der Kamera stand, kämpfte er mit den Tränen. Es ist ein­fach nur bitter“, sagte er. Ich liebe den Verein und bin gebro­chen. Ich kann es noch nicht rea­li­sieren, es ist alles nur traurig.“

Boateng? Echt jetzt?

Gegen Bochum hatte Boateng noch einmal in der Startelf gestanden, zum fünften Mal erst in dieser Saison – und zum ersten Mal über­haupt unter dem neuen Trainer Dardai. Eine solche Ent­schei­dung wird inzwi­schen mit einiger Skepsis begleitet: Boateng? Echt jetzt? Dass der geal­terte Star und sein geschun­dener Körper kaum noch die ath­le­ti­schen Vor­aus­set­zungen für die Bun­des­liga mit­bringen, ist inzwi­schen offen­kundig.

Etwas mehr als eine Stunde hielt Boateng gegen die Bochumer durch. Als er aus­ge­wech­selt wurde, war Hertha gerade 1:0 in Füh­rung gegangen. Die – wenn auch vage – Hoff­nung auf den Klas­sen­er­halt lebte wieder.

Kevin war richtig gut“, sagte Dardai nach dem Schluss­pfiff. Er war der beste Spieler in der ersten Halb­zeit.“ Der Rou­ti­nier, in diesem Spiel sogar Her­thas Kapitän, ver­lieh dem Auf­tritt seiner Mann­schaft Struktur, er war prä­sent, behaup­tete Bälle, gewann Kopf­ball­du­elle. Genauso hatte Dardai sich das vor­ge­stellt.

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